Mikrofon auf einer Bühne Lesungen

Was muss ich als Autor*in bei Lesungen beachten? (Lesungen halten, Teil 2)

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Anmerkung: Dies ist ein Gastartikel unseres Verbandsmitglieds Rosemarie Schmitt und der zweite Teil der Beitragsreihe zum Thema Lesungen. Den ersten Teil der Reihe findest du hier.


Wo kann man Lesungen halten?

Liegt dein Fokus auf dem Locus?

Das ist nicht etwa eine ordinäre Frage, sondern eine, die das Thema dieses Beitrages sehr gut trifft. Es geht um die richtige Location, um den geeigneten Ort für deine Lesungen. Und der lateinische Begriff für Ort ist nunmal Locus.

Wie wichtig die Wahl der Location für den Erfolg deiner Lesung ist, werde ich in diesem Beitrag erläutern. Im digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache ist zu lesen: Eine Location ist ein Ort, der sich durch außergewöhnliche Gegebenheiten auszeichnet und deshalb für besondere Anlässe geeignet erscheint.

Trifft diese Definition nicht genau das, was deine Lesung sein sollte? Eine außergewöhnliche Gegebenheit. Ein besonderer Anlass.

Wie viel Raum braucht dein Text?

Brauchst du wirklich mehr Raum? Ist es einer deiner Träume, in einem Stadion vor mehreren Tausend Menschen zu lesen, oder in einer Veranstaltungshalle vor Hunderten? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es ein Traum ist, in einer Location zu lesen, die keine hundert Leute fasst. Du solltest davon ausgehen, dass alle, die zu deiner Veranstaltung kommen, Leser*innen sind. Das heißt: diese Menschen können lesen. Sie sind also nicht gekommen, damit du ihnen etwas vorliest, sondern, um dich und deine Texte zu erleben. Ein besonderes Erlebnis sind Lesungen im kleinen, passenden Rahmen.

Diesen Rahmen und ein stimmungsvolles Ambiente zu schaffen, ist in einem kleineren Raum wesentlich einfacher. Du benötigst weder ein Mikrofon noch ein Headset mit Verstärker. Diese Technik ist ein Segen und kann sehr hilfreich sein, doch kann sie auch Distanz schaffen und die Stimmung sowie den persönlichen Kontakt zu deinem Publikum hemmen.

Zweimal ein volles Haus ist allemal schöner, als einmal ein halbes!

Eine ausverkaufte Lesung ist eine perfekte Werbung. Vielleicht denken die Leute: Dieser Autor oder diese Autorin scheint ja sehr bekannt zu sein, oder gar ein Geheimtipp? Da habe ich wohl etwas verpasst. Ach, eine zweite Veranstaltung, weil die erste ausverkauft war. Prima, da werde ich aber dabei sein!

Du hast nun also statt einer, sogar zwei Lesungen. Ein klarer Gewinn für dich, denn mit jeder Lesung wirst du besser werden! Du bist bereits vertraut mit dem Raum, dem Inhaber, der Organisation. Und das Konzept steht ja bereits. All das bringt dir mehr Sicherheit, mehr Ruhe und Gelassenheit, mehr Bestätigung und Erfolg.

Ausverkauft! Dieses eine Wort, quer über das Plakat geklebt, beeindruckt die Leserschaft und macht dich glücklich!

Auf der Suche nach dem perfekten Ort

Na, wie ist die Lage?

Bevor du dich für eine Location entscheidest, solltest du die Lage checken. Das meine ich, im Sinne von Ortslage. Kann man zu deiner Lesung mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen? Fahren diese auch nach der Lesung deine Gäste wieder nach Hause? Kommen die Besucher*innen mit dem Auto? Sind genügend Parkmöglichkeiten vorhanden? Kommen deine Fans zu Fuß? Du kennst deine Zielgruppe und kannst diese Fragen sicherlich beantworten.

Wort für Wort am richtigen Ort!

Text und Location müssen zusammenpassen!

Eine Geschichte für Kleinkinder in einem Erotik-Shop zu lesen ist eine außergewöhnliche, aber keine gute Idee. Niemand kennt deinen Text so gut wie du. Niemand sollte besser als du beurteilen können, welcher Rahmen am besten passt. Wenn die Kulisse passt, kaufen „sie“ dir jedes Wort ab, im besten Fall nach der Lesung am Büchertisch.

Aber wie sieht dein perfekter Leseort aus?

In der Tat gibt es den perfekten Ort für deine Lesung! Ich empfehle dir ungewöhnliche Orte. Sicherlich hast du diesen Spruch schon einmal (mindestens!) gehört oder gelesen:

Sei wild und frech und wunderbar!

Sei es! Mach aus dieser Floskel Wahrheit. Hauche diesen Worten Leben und Sinn ein. Sei außergewöhnlich. Sei anders. Sei einzigartig. Sei besonders. Dies alles wird oft empfohlen und selten umgesetzt. Tu du es!

Was also könnte eine perfekte Location für dein Buch, für deine Texte, für deine Lesungen sein? Je nach Genre. Ich nenne dir hier mal ein paar Beispiele:

  • in einem Zug
  • am Bahnhof
  • auf einer Burg, in einem Schloss
  • im Pavillon eines Parks
  • auf einem Bauernhof, im Bauernhofladen
  • auf einem Pferdegestüt
  • im Planetarium, in der Sternwarte
  • auf dem Minigolfplatz
  • auf dem Sportplatz oder auf dem Spielplatz
  • in einem Kino
  • im Zoo
  • in einer Klinik
  • in einer Strafanstalt
  • in einem Kosmetikinstitut
  • im fachbezogenen Einzelhandel (zum Beispiel Sport, Dessous, Klettern, Wandern …)
  • im Verwaltungsgebäude
  • in einem Gericht
  • auf einem Campingplatz
  • beim Lagerfeuer am Strand oder am See
  • vom Hochsitz eines Försters aus
  • im Schwimmbad
  • in einer Garage
  • in einem Autohaus
  • im Fitnesscenter
  • im Museum
  • in einem Weinkeller, auf einem Weingut
  • auf dem Mittelaltermarkt
  • auf dem Flohmarkt
  • im Theater
  • in der Tanzschule
  • beim Tierarzt oder im Tierheim
  • auf einem Schiff
  • an einem Denkmal
  • auf dem Marktplatz
  • in einer Seniorenresidenz

Ist Flunkern erlaubt?

Aber ja doch! Flunkere was das Zeug hält! Allerdings nicht wie gedruckt! Passe deinen Text der Location an und halte nicht auf Teufel komm raus, an deiner gedruckten Fassung fest. Es ist dein Text. Du kannst damit machen, was du möchtest! Du musst sogar damit machen, was möglich ist, damit es passt.

Wenn du aus einem Roman liest, kannst du auch einen kompletten Abschnitt in eine Anekdote umwandeln. Das ist spannend und interessant. Hauptsache, du hältst dich an die Story und an deinen roten Faden. Die Leser*innen müssen natürlich die Version, die du während der Lesung präsentierst, im Roman wiederfinden und erkennen können.

Du kannst auch erzählen, wo oder wie die ein oder andere Szene entstanden ist. Auch hier ist Flunkern erlaubt. Jedenfalls ein wenig. Doch denke immer daran: Wer flunkert, muss ein gutes Gedächtnis haben! Doch wenn du eine Version einer Geschichte oft genug erzählt hast, wirst du sie eh selber glauben. Denk dir an dieser Stelle jetzt ein Augenzwinker-Emoticon.

Nur keine Platzangst!

Die Gäste müssen übrigens nicht zwingend in Stuhlreihen platziert werden. Je nach Location, Alter und Thema kann deine Leserschaft durchaus auf bequemen Kissen auf dem Boden sitzen. Bei vielen meiner Lesungen sitzen die Gäste an runden Tischen beisammen und genießen ein Glas Wein.

Sei also auch hier flexibel. Allerdings nicht flexibler als die Knochen deiner Leser! Achte auf deren Alter und Möglichkeiten!

Es wird gekauft, was auf den Tisch kommt?

Es muss nicht unbedingt ein Büchertisch sein. Sieh dich in deiner Location um und finde eine Alternative.

Ein paar Beispiele: ein alter Reisekoffer, ein Rollator, wie wäre es mit einem Plantschbecken (bitte ohne Wasser!), eine Weinkiste, ein Medizinschränkchen, ein Nachttisch, ein Grill, eine Schubkarre, Hundekörbchen, Babywiege …

Augen aufmachen und Fantasie einschalten! Sei anders. Sei besonders. Kreativität ist schließlich eine deiner Stärken.

Fazit

Die Wahl der Location ist ein wichtiger Pfeiler deines Erfolges. Deine Lesung sollte nicht auf wackeligen Beinen stehen. Mit deinem Text hast du dir so viel Mühe gegeben, hast viel Zeit investiert, auf einiges verzichtet und alles richtig gemacht. Bleib also auf Kurs! Du und deine Geschichte, ihr habt eine schöne und passende Kulisse verdient.

Du erinnerst dich, an die Definition von Location?:

Eine Location ist ein Ort, der sich durch außergewöhnliche Gegebenheiten auszeichnet und deshalb für besondere Anlässe geeignet erscheint.

Dir ist das Talent zum Schreiben gegeben. Das Beste daraus zu machen, sei dein Ziel und deine Aufgabe! Eine außergewöhnliche Gegebenheit eben.

Und schreib es dir nicht hinter die Ohren, sondern dorthin, wo du’s  lesen kannst:

Wer lesen kann, ist klar im Vorteil!

Rosemarie


Rosemarie Schmitt
Rosemarie Schmitt

Rosemarie Schmitt

Rosemarie Schmitt wuchs in der Kyltalgemeinde Kordel auf. Nach ihrer Ausbildung zur Musikalienhändlerin lebte sie einige Jahre in Luxembourg. Inzwischen ist die Schriftstellerin in Wittlich beheimatet und hat drei erwachsene Kinder. Sie ist Mitglied im Selfpublisher-Verband, dem Literaturwerk Rheinland-Pfalz und war freie Mitarbeiterin des Ressorts Kultur bei der Trierer Lokalzeitung „Trierischer Volksfreund“. Zehn Jahre lang schrieb sie eine wöchentliche Kolumne für kultur-online.net. Seit Beginn des Jahres 2023 ist Rosemarie Schmitt als Dozentin bei der VHS Wittlich-Stadt und Land tätig. Ihr Thema: Wie geht Lesung?

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