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[Selfpublishing unverblümt] Folge 14: Wenn mir die Decke auf den Kopf fällt

Folge 14: Wenn mir die Decke auf den Kopf fällt

Selfpublisher:in zu sein bedeutet unter anderem, selbstständig zu sein und allein für sich im Homeoffice zu arbeiten. Schon in der 3. Folge habe ich zwar darüber gesprochen, dass man als verlagsunabhängige:r Autor:in nicht zwingend sämtliche Aufgaben, die rund ums Veröffentlichen anfallen, allein bewältigen muss. Oftmals ist das auch gar nicht sinnvoll, denn schon die sogenannte Betriebsblindheit macht es beispielsweise schwierig, den eigenen Text zu lektorieren. Somit kommt man in der Regel schnell in den Genuss, regelmäßig mit Dienstleistern zu tun zu haben, mit denen man auch mal Small Talk halten kann. Aber egal, wie viele Dienstleister:innen man um sich schart – in der Regel fährt man als Selfpublisher:in nicht in ein externes Büro, in dem auch andere arbeiten. Stattdessen setzt man sich an den heimischen Arbeitsplatz, der oftmals in den privaten Wohnraum integriert ist oder sich zumindest nicht weit davon entfernt befindet. Dort brütet man vor sich hin, ohne Kolleg:innen, ohne Flurfunk, ohne Arbeitsweg … und häufig auch, ohne dass sich jemand anderes ums leibliche Wohl oder so kümmert. Geht man der Tätigkeit als Selfpublisher:in sogar hauptberuflich in Vollzeit nach, kommt dieser Effekt besonders stark zum Tragen. Das, was viele andere Schreibtischkräfte erst seit Corona kennen, ist für freiberufliche Autorinnen und Autoren auch ohne Pandemie normal. Es ist vor allem von Dauer. Und das kann, wie ich feststellen musste, zum ernsthaften Problem werden.

Wie war das bei mir, als ich zur Vollzeit-Selfpublisherin wurde?

Mein Wechsel von der Festangestellten zur Selbstständigen kam recht plötzlich. Als ich am 1. November 2017 meinen Debütroman „Play My Game“ veröffentlichte, kam er innerhalb weniger Tage in die Top 10 der Kindle-Charts und hielt sich anschließend einige Wochen lang in den Top 100. Diesen Erfolg habe ich mir nicht zu erhoffen gewagt, und so traf er mich überraschend. Zu dieser Zeit saß ich gerade an den letzten Zügen für meine Masterarbeit im Literaturstudium und arbeitete nebenher in Festanstellung für einen Sachbuchverlag. Dementsprechend hat es einige Monate in Anspruch genommen, „Play My Game“ in meiner Freizeit zu schreiben. Als der Roman erschien, wusste ich noch gar nicht, wie es für mich als Autorin weitergehen sollte. Doch vom Schreiben leben zu können, ist bereits seit der Grundschule mein Traum gewesen … auch wenn es mir schon immer Angst gemacht hat, mich gedanklich voll darauf einzulassen. Und so beschloss ich noch Ende November 2017, alles auf eine Karte zu setzen: Ich kündigte meine Festanstellung beim Verlag, schrieb die Masterarbeit fertig und setzte mich an den nächsten Liebesroman, der wieder unter dem Namen C. R. Scott erscheinen sollte.

Von einem Tag auf den anderen war somit alles anders, was meine Arbeitsumgebung betraf. Im Studium hatte ich regelmäßig Vorlesungen sowie Klausurtermine im Hörsaal, Lerngruppentreffs im Café und mündliche Prüfungen in den Büros der Dozenten. Und im Verlagsjob hatte ich Tag für Tag mit anderen Angestellten zu tun, mit denen ich mich für die Druckdaten intensiv absprechen musste. In der Festanstellung davor war ich sogar von noch mehr Menschen umgeben: Ich arbeitete in Hamburg in einer recht großen Marketingabteilung und hatte dort nie mein eigenes Reich, sondern stets einen Platz im Großraumbüro, umgeben von anderen Grafiker:innen und Redakteuren. Wir verstanden uns gut, gingen zusammen in die Mittagspause oder machten nachmittags gemeinsam einen kurzen Spaziergang an der frischen Luft. Morgens beim Hochfahren der Computer hielt man Small Talk, und hin und wieder traf man sich nach der Arbeit auf ein Bier. Auch im Verlagsjob war das dann noch so, wenn auch im kleineren Kreis. Ich war nie für mich – darauf war meine Tätigkeit nicht ausgelegt.

Doch dann gaben die Leser:innen mir die Chance, als C. R. Scott durchzustarten, und ich entschied mich dazu, meinen Lebenstraum zu verfolgen.

Plötzlich war alles anders

Es dauerte zwar ein paar Wochen, aber dann drückte irgendetwas gehörig auf meine Stimmung und mir wurde bewusst: Als Selfpublisherin bin ich bei der Arbeit allein. Immer. Ich bin dauerhaft im Homeoffice. Dort gesellt sich niemand zu mir. Das kann angenehm sein und hat Vorteile, keine Frage. Aber es kann auch richtig erdrückend werden, wenn einem nämlich sprichwörtlich die Decke auf den Kopf fällt. Und dieses Gefühl stellte sich bei mir, die das Arbeiten zuvor anders kennen- und lieben gelernt hatte, nach meinem beruflichen Wechsel ein. Dabei machte mir das Schreiben und das verlagsunabhängige Veröffentlichen großen Spaß. Trotzdem dauerte es nicht lange, bis ich mich einsam fühlte. Eingeengt. Festgefahren. Ausgeschlossen. Auf der Strecke geblieben. Farblos. Und irgendwie … wahnsinnig traurig. Auf die Dauer kann das ernsthafte Folgen für die Psyche haben. Vor allem wenn man, so wie ich, ohnehin schon eine erblich bedingte Neigung zu mittelschweren bis schweren Depressionen hat, die therapeutischer und medikamentöser Behandlung bedürfen.

So durfte es nicht bleiben – musste es aber auch nicht

Dass es auch anders geht, ist mir erst mit der Zeit klar geworden. Als Selfpublisherin werden mir die sozialen Kontakte, die man tagsüber unter der Woche beruflich haben könnte, zwar nicht mehr automatisch zugespielt. Nicht einmal feste Ansprechpartner:inen für ein Buchprojekt habe ich, wie Verlagsautor:innen es womöglich kennen. Aber wenn man möchte, kann man an der empfundenen Einsamkeit durchaus etwas ändern. Man muss sich nur aktiv darum kümmern. Das war anfangs neu für mich und musste mir zunächst bewusst werden.

Genau das habe ich dann getan: Ich bin wieder zu den großen Buchmessen gefahren und dort auf andere Buchmenschen zugegangen, die mich offen und freundlich empfangen haben. Dadurch wiederum bin ich auf den Selfpublisher-Verband e. V. aufmerksam geworden und dem Verein beigetreten. Im Rahmen dessen habe ich in Absprache mit dem Vorstand einen digitalen Stammtisch für verlagsunabhängige Autoren gegründet, der sich einmal monatlich per Videokonferenz trifft und plaudert. Außerdem habe ich mich für eine Mitgliedschaft im Montségur Autorenforum beworben und wurde erfreulicherweise angenommen, sodass ich mich nun täglich mit anderen Schreibenden in dem Forum austauschen kann. Zwischenzeitlich entdeckte ich auch den Romance-Club für mich, der unter anderem gemeinsame Lesungen veranstaltet; mit einem Schlag war ich dadurch mit anderen Liebesroman-Autor:innen, die ebenfalls in Norddeutschland leben, vernetzt. Mittlerweile kenne ich weitere Selfpublisher:innen, die in meiner Nähe wohnen und mit denen ich mich immer mal wieder persönlich zum Brunch oder so treffen kann. Weil entweder sie auf mich zugekommen sind oder umgekehrt. Eine der beiden Seiten muss auf jeden Fall den Anfang machen. Aber so schwer ist das gar nicht. Wie ich feststellen durfte, gibt es da draußen viele Publizist:innen und Künstler:innen, die sich über soziale Kontakte, die über ein reines Arbeitsgespräch hinausgehen, freuen. Einige dieser Menschen zähle ich inzwischen zu meinen engsten Freund:innen. Mit einigen von ihnen kann ich mich sogar mal unter der Woche mitten am Tag verabreden, um zu plaudern. Eben wie mit Kolleg:innen. Denn abgesehen von den paar schwarzen Schafen, von denen ich in der 11. Folge erzählt habe, gibt es da draußen unzählige Gleichgesinnte, die nett und toll sind. Das hat mir gefehlt und will ich niemals wieder missen. Muss ich aber auch nicht – das weiß ich inzwischen. Ich musste nur die ersten Schritte dafür selbst machen. Aber das war dann auch nicht weiter schwer, als ich das erst begriffen hatte.

Dennoch: Das Homeoffice bleibt eine Herausforderung

Trotzdem verbringe ich auch heute noch die allermeisten Arbeitsstunden allein, wie man das als Autorin nun mal so macht. Selbst wenn man an einem Gemeinschaftswerk oder einer Anthologie sitzt, schreibt in der Regel jeder für sich und brütet im Stillen vor sich hin. Das ist ja auch gut so – für die Konzentration, die Kreativität und die Produktivität. Und so kann es mir trotz der Kolleg:innen, die ich nun wieder habe, immer noch passieren, dass mir die Decke des Heimarbeitsplatzes auf den Kopf fällt. Erschwerend kommt hinzu, dass es derselbe Ort ist, an dem ich auch wohne. Zwar haben mein Mann und ich bei unserem Haus, das wir uns 2020 haben bauen lassen, darauf geachtet, dass der Wohnraum unten und der Arbeitsbereich oben im Dachgeschoss liegt. Beides spielt sich also auf unterschiedlichen Ebenen ab; es gibt für mein Homeoffice ein eigenes Badezimmer und eine extra Kaffeemaschine, getrennt von dem, was sich im Erdgeschoss privat abspielt. Nichtsdestotrotz befindet sich beides im selben Gebäude und ich komme in den Pausen oder auf dem sogenannten Arbeitsweg nicht wirklich „raus“. Klar, abends und am Wochenende kann ich mich mit Freund:innen treffen, wenn der Job erledigt ist. Aber das allein reicht mir nicht – das habe ich deutlich gemerkt.

Zwei Dinge schaffen da Abhilfe für mich:

Erstens habe ich einen Hund, und der will natürlich mehrmals am Tag spazieren gehen, auch über eine Runde durch den Garten hinaus. So bin ich gezwungen, regelmäßig an die frische Luft zu kommen, sogar immer zu ähnlichen Zeiten. Obwohl ich das nicht für die Arbeit mache, ist es dennoch zur Routine geworden, die mir Halt gibt und mich sozusagen aus meinem Elfenbeinturm rausholt. Das tut mir gut, selbst wenn es regnet.

Und zweitens bedeutet Homeoffice nicht zwingend, dass man nicht auch mal den Arbeitsort wechseln kann. Im Gegenteil: Kaum jemand ist darin so flexibel wie freiberufliche Autor:innen, die einfach nur den Laptop aufklappen müssen, um losschreiben zu können. Auf Dauer brauche ich zwar meinen höhenverstellbaren Schreibtisch mit den zwei großen Monitoren, der Handballenauflage, der vertikalen Maus, der externen Tastatur und dem ebenfalls ergonomischen Drehstuhl. Aber für eine produktive Schreibstunde zwischendurch darf es gerne auch mal ein kleiner Tisch im gemütlichen Café um die Ecke sein … oder vielleicht sogar übers Wochenende ein Hotel in einer anderen Stadt meiner Wahl. Gerade diese Abwechslung mag mein Rücken sogar lieber, als wenn ich ausnahmslos am selben Platz arbeite. Und meiner Seele tut sie erst recht gut, diese kleine Vielfalt.

Ergonomie ist nun mal nicht gleich Ergonomie

Deswegen will ich es für die Zukunft gar nicht ausschließen, die Trennung zwischen Wohn- und Arbeitsraum im Haus komplett aufzubrechen und sogar mal auf dem Sofa oder im Garten den Laptop aufzuklappen. Glaubt man gewissen Experten, ist das zwar alles andere als ergonomisch oder förderlich für die Work-Life-Balance. Aber höre ich auf meinen Körper und meine Psyche, so tut es mir gut, wenn ich hin und wieder den Arbeitsort und die Haltung vorm Laptop variiere. Und letztlich kommt es mir auf meine individuellen Erfahrungen an.

Noch weiß ich nicht, wie mein Körper und mein Kopf damit zurechtkommen, wenn ich auch mal auf der Couch oder der Gartenmuschel schreibe. Das auszuprobieren, steht mir noch bevor. Aber das ist ja das Schöne an der Selbstständigkeit: Ich kann mir meine Arbeitsumgebung so einrichten, wie es zu mir passt, und darf die Situation stets neu bewerten. Ich muss nicht nur selbst aktiv werden, um meinen Alltag als Autorin zu gestalten – ich darf es.

In der nächsten Kolumne erzählt uns C.R. Scott etwas über Testleser:innen und welche Erfahrungen sie mit ihnen  gemacht hat. Jeden 20. des Monats gibt es einen neuen Beitrag der Kolumne im Blog des Selfpublisher-Verbandes.


C.R. Scott – Autorin, Grafikerin und jetzt auch Kolumnistin

C. R. Scott wurde 1984 in Schleswig-Holstein geboren und hat Literatur studiert. Egal ob prickelnd, fantastisch oder verträumt – ihre Liebesromane begeistern Tausende von Lesern. Inzwischen gibt es einige ihrer Bestseller auch als Hörbuch. Die Autorin ist Mitglied im Montségur Autorenforum und in der Jury für den Selfpublishing-Buchpreis. Wenn sie mal nicht schreibt, geht sie am liebsten durch den Wald spazieren und lässt sich für neue Geschichten inspirieren.

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C.R. Scott

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