Anmerkung: Dies ist ein Gastartikel unseres Verbandsmitglieds Marian Sommer.
Drei Bücher in einem Jahr schreiben – dank Flow
Kurz bevor ich im Mai 2021 angefangen habe, mein erstes Buch zu schreiben, habe ich über das Schreiben vermutlich gedacht wie 95% der Bevölkerung: Was für ein Zeitaufwand! Fällt mir genug ein, um ein Buch zu füllen und kauft das Buch am Ende überhaupt jemand?
Ich hätte mir das Bücherschreiben früher nie vorstellen können, denn meine Diplomarbeit war bis dato mein umfangreichstes Manuskript. Bei der Diplomarbeit schaffte ich auch nur die Mindestseitenzahl. Es lag mir damals fern, Grundaussagen endlos auszuschmücken, nur um ein umfangreiches Werk abliefern zu können. Spaß hatte ich auch nicht dabei.
Dass ich später drei Bücher in einem Jahr schreiben würde, ohne Schreibblockade und mit Freude, verdanke ich dem Phänomen des Flow-Zustandes. Etwas, das du sicher schon erlebt hast. Als ich die erste Seite schrieb, bin ich in diesen Zustand gekommen und habe gemerkt: Wenn man erst mal im Flow ist, geht alles von allein.
Kleine und große Flow-Erlebnisse
Flow gilt als Zustand, bei dem man in einer Tätigkeit aufgeht, die Zeit dabei verfliegt, die Kreativität auf dem Höchststand ist und Freude dabei empfunden wird. Bücher im Flow zu schreiben bedeutet, keine Schreibblockade zu haben und eine Seite nach der anderen mühelos zu Papier zu bringen.
Der Wissenschaftler Mihály Csíkszentmihályi hat dafür vier Voraussetzungen ermittelt:
- der richtige Herausforderungsgrad einer Tätigkeit
- Zielsetzung
- Rückmeldung
- fehlende Ablenkung
Doch so ein Flow-Erlebnis dauert meist nur wenige Stunden. Irgendwann wird eine Tätigkeit spätestens durch Hunger unterbrochen. Vielleicht hast du das schon mal erlebt: Du streichst eine Wand und es macht Spaß, dann machst du eine Pause für das Abendessen, und danach ist es nur noch mühsam. Für mich ist der Flow nach Csíkszentmihályi deshalb ein sogenannter „kleiner Flow“.
Wenn du im kleinen Flow an einem Buch schreibst, kannst du in einem Kapitel sehr gut vorankommen, doch um ein ganzes Buch mit Leichtigkeit zu schaffen, bedarf es eines „großen Flows“. Ein großes Flow-Erlebnis kann Jahre oder Monate andauern. Beispiele sind ein erfolgreiches Marathontraining von eigentlichen Laufmuffeln, erfolgreiches Abnehmen und stärker werden über Monate – oder das Schreiben eines Buches, bei dem alles von selbst und mit Leichtigkeit vonstattenging. Der große Flow kann auch mit einer Erfolgswelle verglichen werden. Gerade bei Teamsportarten ist so eine aufkommende Welle und später deren Abbruch oft zu beobachten.
Flow-Voraussetzungen
Der kleine Flow, bezogen auf das Bücherschreiben, ist schnell erklärt. Der richtige Herausforderungsgrad ist dann erreicht, wenn genügend Wissen zu einem Thema (etwa durch Recherche) vorhanden ist. Die Zielsetzung ist klar – das Wissen muss aufs Papier. Rückmeldung gibt jeder geschriebene Absatz.
Das Schwierigste ist, die Ablenkung zu vermeiden. Direkte Ablenkungen vom Schreiben können andere Personen (Kinder, Partner, Eltern) sein oder das Piepen des Handys. Indirekte Ablenkung erfährst du durch das Bedürfnis, zwischendrin das Handy zu checken, Hunger, Durst, Krankheit, Wärme oder Kälte. Stress durch Termindruck und Hintergrundgeräusche können dich auch vom Flow abhalten.
Tipp 1:
In einem Zimmer allein zu schreiben, das ruhig, gut beleuchtet und aufgeräumt ist, kann ein guter Anfang für Schreiben im Flow sein. Das Handy muss dabei draußen bleiben und am besten hast du etwas Leichtes gegessen. Die Tageszeit muss ausprobiert werden.
Für große Flow-Erlebnisse gelten auch die vier Elemente des kleinen Flows, wenn auch nicht so naheliegend im Detail. Doch für eine Erfolgswelle braucht es noch ein paar Zutaten mehr.
Die Rolle von Dopamin
Wenn du motiviert an einer Sache dranbleiben willst, musst du Dopamin kennen. Dieser Neurotransmitter ist ein Botenstoff in unserem Gehirn, welcher Glücksgefühle verleiht. Er lässt gefühlt die Zeit stehen, macht wach und konzentriert. Das kennst du sicherlich auch von Adrenalin, aber der Schub dieses Botenstoffes ist für unser Überleben gedacht, nicht um Bücher zu schreiben oder ein Marathontraining zu absolvieren.
Das langsame Steigen des Dopaminspiegels hält dich im kleinen oder großen Flow. Fällt der Spiegel, wird es kritisch. Ein Abbruch der Erfolgswelle droht. Wenn es danach noch erfolgreich weitergehen soll, brauchst du Routinen. Du musst also aus Gewohnheit weitermachen.
Kenne die Glücksbringer
Wer weiß, was den Dopaminspiegel stark ansteigen lässt, kann das Hochkatapultieren dieses Glücksbringers vermeiden. Süßigkeiten, fettes Essen, Social Media, Fernsehen, Alkohol, Befriedigung von Neugier oder im schlimmsten Fall Drogen sind Beispiele dafür. Sport hingegen steigert auch den Dopaminspiegel – jedoch langsam. Was langsam steigt, ebbt langsam wieder ab, es lässt dich in kein Loch fallen. Deshalb gibt es nach dem Konsum von Drogen einen starken Fall, während man nach dem Sport Stunden, wenn nicht Tage, nach dem Dopamingipfel noch Glück in sich spürt.
Tipp 2:
Lasse die Dopaminbringer möglichst weg, wenn du Flow erleben möchtest. Geh mal ohne Handy und alleine 30 Minuten vor dem Schreiben spazieren. Es wird deinem Geist helfen und dich bereit für Flow machen.
Schreibst du das erste Mal ein Buch, wirst du anfangs viele Fehler machen, das ist völlig normal. Buchtitel, Cover, Auswahl der Dienstleister – selten läuft beim ersten Mal alles perfekt ab. Doch das Fertigstellen eines Buches gibt dir einen enormen Dopaminschub. Ich kann mich gut an den Augenblick erinnern, als bei Amazon mein erstes Buch live war. Ich konnte die Nacht kaum schlafen vor Aufregung, so sehr stieg das Dopamin an. Die ersten Verkäufe und die erste Rezension pushten diesen Botenstoff noch weiter. Doch danach ebbte das Dopamin ab und dieser Moment ist immer gefährlich. Er kann dich in ein Loch ziehen, das dich nicht weiterschreiben lässt.
Tipp 3:
Genau dann, wenn du die Lust auf ein neues Projekt verlierst, musst du an die kleinen Anfängerfehler denken. Du hast jetzt Erfahrung, du weißt also wie der Hase läuft. Beim nächsten Buch wirst du alles noch besser, günstiger und effizienter machen. Das ist deine Chance, den Dopaminspiegel wieder zum Steigen zu bringen. Dann kann dein nächster großer Flow starten. Beim zweiten Buch bist du innerlich schon Buchautor, denn es ist kein Einzelprojekt mehr. Das ist deine Chance, Routinen zu entwickeln, dich zu optimieren und dir noch mehr Erfolg zu bringen.
Tipp 4:
Bilde dich in Nebendisziplinen weiter. Lerne, wie Werbetexte zu schreiben sind. Lässt du sie von jemandem schreiben, wird der Dienstleister nicht nur teuer sein, er steckt auch nicht das gleiche Herzblut in den Text wie du. Wenn du mehrere Bücher schreibst, lohnt sich die Investition in Wissen. Bildung gibt dir Dopaminschübe, erfolgreich angewandtes Wissen gibt dir einen regelrechten Dopaminturbo. Das hält dich im Flow.
Bücherschreiben im Flow
Wie bleibst du während des Schreibens im Flow?
Wenn die Seitenzahl deines Buches kontinuierlich wächst, gibt dir das die notwendigen Rückmeldungen. Rückmeldungen lösen Dopamin aus und lassen dich weiterschreiben. Auch Meilensteine (die ersten 10.000 Wörter, die ersten 100 Seiten) können dich pushen.
Tipp 5:
Hast du einen Durchhänger, dann scrolle durch das Werk und schaue, was du bisher schon geschafft hast. Kleine Teilziele (beispielsweise die nächsten 20 Seiten) können dich motivieren weiterzumachen.
Ich beginne beim Bücherschreiben häufig mit einem mittelschweren Teil. Das ist der richtige Herausforderungsgrad für den Anfang. Bin ich im Dopamin-Flow, schreibe ich an einem schweren Teil weiter. Ebbt das Dopamin ab, so beschäftige ich mich mit einem leichten Abschnitt. Die wachsenden Seitenzahlen bringen das Dopamin wieder zurück.
Der mittelschwere Teil bei einem Sachbuch kann auch die Einleitung sein. Die Einleitung soll nicht nur deinen Leser motivieren und ihn in den Lese-Flow bringen, sie schwört dich auch auf das Projekt ein. Am Ende des Buches wirst du deine Einleitung überarbeiten müssen, sieh den ersten Entwurf deshalb eher als „Arbeitseinleitung“ an.
Tipp 6:
Schreibe die Einleitung am Anfang und überarbeite sie erst dann, wenn das Buch fertig ist.
Damit habe ich drei Voraussetzungen für den kleinen Flow geschaffen: Der richtige Herausforderungsgrad (ich steuere ihn mit dem Schwierigkeitsgrad der Kapitel), die Zielsetzung (möglichst viele Seiten zu schreiben oder Meilensteine zu erreichen) und die Rückmeldung (die Betrachtung der geschriebenen Seitenzahl).
Ich bin jedoch Sachbuchautor, als Romanautor:in wirst du nicht in der Mitte des Buches anfangen können. Du kannst bei einem Roman möglicherweise den Herausforderungsgrad mit der Komplexitätstiefe steuern, die du der Story gibst.
Der vierte Punkt, die fehlende Ablenkung, muss intensiver betrachtet werden. Es reicht nicht aus, ein medienfreies Schreibzimmer einzurichten.
Tipp 7:
Die großen Zeitfresser und Ablenkungen außerhalb der Schreiberei müssen gefunden und vermieden werden. Wie oft höre ich den Satz „Für Bücherschreiben hätte ich keine Zeit“? Nun, ich habe einen Vollzeitjob, ein Ehrenamt, mache 30 Tage Urlaub im Jahr und schlafe mindestens sieben Stunden in der Nacht. Trotzdem schreibe ich in zwei bis drei Monaten ein Buch. Es lenken uns nicht nur direkte Störungen ab.
4-5 Stunden verbringen viele Menschen am Tag mit Handy und Fernseher. Wenn man davon 1-2 Stunden pro Tag weglässt, sind das schnell über 100 Stunden Zeitgewinn in drei Monaten. Wenn du in diesen 100 Stunden im Flow an einem Buch schreibst, dann ist es in dieser Zeit womöglich schon fertig.
Mehr als nur Flow nötig
Der Flow-Zustand lässt dich produktiv schreiben, doch reicht das für ein Buchprojekt? Ich denke, es gehört mehr dazu. Das Warum muss klar sein. Wer schreibt, weil er der Welt etwas mitteilen möchte, bleibt eher am Ball, als wenn er zwangsweise etwas schreiben muss (dazu zählt auch eine Diplomarbeit).
Das Mindset kann entscheidend sein.
Tipp 8:
Es macht einen Unterschied, ob du nach außen trägst, dass du ein Buch schreibst oder ob du dich als Buchautor:in bezeichnest. Bei letzterem kann dein Unterbewusstsein dich viel besser unterstützen, dir Schreibroutinen aufzubauen. Wer den richtigen Zeitpunkt zum Anfangen findet (es ist übrigens selten der Tag nach Silvester) hat einen Startvorteil. Wer sich automatisch abends, beim Setzen auf die Couch, das Manuskript statt der Fernbedienung greift, hat die richtige Schreibroutine verinnerlicht.
Und wo kommen die Inhalte deines Buches her?
Ich schreibe normalerweise Börsenbücher, da geht mir der Schreibstoff nie aus, denn die Börse ist mein Hauptberuf. Ein Buch über Selbstverbesserung und Flow passt normalerweise nicht zu dem, was ich aus meinem Erfahrungsschatz heraus schreiben kann.
Doch nachdem ich den Flow beim Schreiben in mir entdeckt und genutzt habe, wollte ich dieses großartige Gefühl weitertragen. Prokrastination und mühsamer Fortschritt, der beim Bücherschreiben auftreten kann, lässt sich verhindern oder zumindest minimieren.
Ich habe deshalb mein erstes Selbstverbesserungsbuch „Dein Leben im Flow“ geschrieben. Jedes Puzzleteil für große und kleine Flow-Erlebnisse habe ich in dem Buch beschrieben, inklusive Sofortmaßnahmen. Mit Flow kann man mehr als nur Bücher schreiben. Der Flow kann dein Leben verbessern, bereichern und glücklicher gestalten. Einfach mal ausprobieren!
Marian Sommer
Marian Sommer schreibt normalerweise Börsenbücher. Seit er den Flow beim Schreiben entdeckt und genutzt hat, will er dieses großartige Gefühl weitertragen.
Mehr Informationen zum Buch und zum Flow
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