C.R. Scott ist erfolgreiche Autorin und Mitglied im Selfpublisher-Verband. In ihrer Kolumne „Selfpublishing unverblümt“ schreibt sie über Fettnäpfchen und andere Erfahrungen, die sie lieber nicht gemacht hätte.
Folgenübersicht
- Folge 1: Wenn meine Familie mich im Stich lässt
- Folge 2: Wenn die böse 1-Stern-Rezension kommt
- Folge 3: Wenn Dienstleister mich enttäuschen
- Folge 4: Wenn mein Hund mehr Likes bekommt als ich
- Folge 5: Wenn Lesende über die Stränge schlagen
- Folge 6: Wenn die Buchmesse mich umzubringen versucht
- Folge 7: Wenn Schreibtipps gefährlich werden
- Folge 8: Wenn beim Wort „gratis“ die Nerven blank liegen
- Folge 9: Wenn Verlage etwas vom Kuchen abhaben wollen
- Folge 10: Wenn ein Buch floppt … und das Buch danach auch
- Folge 11: Wenn Kolleg:innen nicht so kollegial sind
- Folge 12: Wenn meine Freund:innen mich nicht ernst nehmen
- Folge 13: Wenn die Muse mich nicht küsst
- Folge 14: Wenn mir die Decke auf den Kopf fällt
- Folge 15: Wenn die Testleserin nicht weiß, was sie will
- Folge 16: Wenn mich ein renommierter Verlag ablehnt
- Folge 17: Wenn meine Vielschreiberei verurteilt wird
- Folge 18: Wenn behauptet wird, dass ich meine Seele verkaufe
- Folge 19: Wenn es heißt, Selfpublisher seien unprofessionell
Folge 9: Wenn Verlage etwas vom Kuchen abhaben wollen
August 2018. In diesem Monat bin ich richtig aufgeregt, nein, aufgeregt ist gar kein Ausdruck! Denn im August des Jahres 2018 komme ich zum allerersten Mal mit einem meiner E-Books in die Top 5 der Kindle-Charts, nämlich mit „Sweet Suffering – Neu entfachte Leidenschaft“. Erst ein einziges Mal habe ich es vorher in die Top 10 geschafft, das war mit meinem Debütroman, also gut ein Jahr vorher. Und jetzt das! Top 5! Ich fühle mich, als würde man mich zum Ritter schlagen und an die Tafelrunde berufen – oder irgendwie so. Jedenfalls bin ich wie berauscht und tigere mit einem Dauergrinsen durch die (damals noch) Wohnung.
Natürlich hat meine Aufregung auch ein paar Nebenwirkungen, etwa die Tatsache, dass ich nicht mehr alle drei Stunden die Verkaufsstatistik meines neuen Buches prüfe, sondern alle drei Minuten. Nachts. Mit einem so hellen Handy-Display, dass mein armer Mann am nächsten Tag mit Augenringen zur Arbeit fahren darf. Aber egal! Ich bin in den Top 5! Wer weiß, ob ich das jemals wieder erleben darf? Gut, das darf ich später auch mit anderen Werken, aber zu dem Zeitpunkt weiß ich das noch nicht. Dieses besondere Ereignis in meinem Autorinnenleben muss ich also voll und ganz auskosten! Das findet sogar mein Mann, und bringt abends – mit Augenringen – eine gekühlte Sektflasche mit nach Hause.
Dass ich einen solchen Erfolg dermaßen bewusst feiere, hat einen Hintergrund: Vor meinem Dasein als hauptberufliche Selfpublisherin konnte ich nicht einmal ansatzweise vom Schreiben leben und war es gewohnt, pro Jahr mehr Absagen von Verlagen zu bekommen, als ich mit beiden Händen noch hätte zählen können. In manchen Fällen ging es sogar so weit, dass mich der Verlag oder die Agentur bat, doch bitte überhaupt nichts mehr einzureichen. Will heißen: Man wollte schlicht und einfach nichts mit meinen Manuskripten zu tun haben und konnte sich auch nicht vorstellen, dass sich das irgendwann in Zukunft mal ändern würde. Mehr als einmal gab es in meinem Autorinnenleben den Punkt, an dem ich echt niedergeschlagen war und kurz davorstand, aufzugeben.
Aber egal! Mittlerweile kann ich ja vom Schreiben leben und bin jetzt auch noch in den Top 5 bei Amazon! Somit ist meine düstere Autorinnenvergangenheit überwunden und ich kann mit ritterlichem Mut bzw. Anmut nach vorne blicken.
Ich bin nun also als Selfpublisherin tätig und denke gar nicht mehr darüber nach, was Verlage von mir halten. Interessanterweise wecke ich aber genau jetzt das Interesse des einen oder anderen Verlages. Nicht etwa, weil ich mich nicht mehr bei ihnen melde und sie merken, wie schmerzlich sie mich vermissen, nein. Sondern natürlich deswegen, weil sich meine Bücher gut verkaufen. Und damit geht, ohne dass mir das bewusst ist, ein neues Abenteuer los.
Finger weg von Zuschussverlagen
Als Erstes meldet sich bei mir ein Verlag, den man gar nicht als solchen bezeichnen darf. Denn wie ich schnell herausfinde, handelt es sich dabei um einen Druckkostenzuschussverlag. Das Unternehmen will mich gar nicht bezahlen, um einen Roman von mir herausbringen zu dürfen, sondern andersherum auch noch Geld von mir dafür bekommen. Da dieser sogenannte Verlag mein bereits erschienenes Werk in den höchsten Tönen lobt und davon spricht, es mit einer vierstelligen Auflage neu zu veröffentlichen und in den stationären Buchhandel zu bringen, will ich trotzdem mehr wissen und hake nach: In welcher Druckerei sollen die Exemplare hergestellt werden? Und in welchem Lager könnte ich mir die gedruckten Bücher anderer Autoren ansehen? Der „Verlag“ antwortet mir zwar weiterhin, weicht meinen Fragen jedoch aus und möchte lieber darauf zurückkommen, wann ich denn endlich den Vertrag unterschreibe und die erste Rate zahle, um mich an den „Herstellungskosten“ zu „beteiligen“. Als ich darauf bestehe, mir zunächst das Bücherlager anzusehen, gibt mein Ansprechpartner zu: Es gibt gar keinen Auflagendruck, denn der Zuschussverlag berechnet die „Beteiligungskosten“ zwar anhand einer solchen Druckauflage, produziert jedoch per Print-on-Demand-Verfahren nur einzeln die Exemplare, die bestellt werden. Dieses Verfahren ist legitim und wird bis heute für meine verlagsunabhängigen Taschenbücher angewandt. Allerdings wirft dieser Umstand erst recht die Frage auf, wofür genau der Zuschussverlag dann bitte eine vierstellige Geldsumme von mir erwarten dürfte.
Dass man im heutigen digitalen Zeitalter auch beim Print-on-Demand-Verfahren durchaus von einer Auflage sprechen darf, weil man damit zum Beispiel Honorar-Staffelungen in einem Vertrag definiert, tut in dem Fall nichts zur Sache. Ein Druckkostenzuschussverlag lebt nicht von den Buchverkäufen, für die er somit auch keinen Finger krümmt, sondern vom „Druckkostenzuschuss“ seiner Autor:innen. Vier- bis fünfstellige Beträge soll ein Autor bzw. Autorin zahlen, für ein Werk, das nicht merklich beworben wird und nur vereinzelt gedruckt wird, wenn eine Bestellung eingeht. Das Ganze als „Kostenzuschuss“ zu bezeichnen und damit den Eindruck zu wecken, dass der Verlag noch viel mehr Geld beisteuert, setzt der dreisten Masche die Krone auf.
Verlage sollten Autor:innen für ihre geleistete Arbeit bezahlen. Nicht umgekehrt. Das wissen auch die Buchhandlungen. Ein Unternehmen, das anders denkt, kann mir ganz sicher nicht die Tür in den stationären Buchhandel öffnen. Zumal Buchläden Romane, die auf Vorrat gedruckt werden, immer noch bevorzugen.
Folglich muss ich von diesem Angebot unbedingt die Finger lassen. Mein ritterlicher Sturm in die Top 5 der Kindle-Charts hat zwar eine Firma der Literaturbranche auf mich aufmerksam gemacht, aber leider die falsche. Ein richtiger Verlag ist das nicht. Der Begriff „Verlag“ kommt schließlich von „vorlegen“, also vom Vorstrecken der Kosten. Und das wollte dieses Unternehmen für mich nicht übernehmen, ganz im Gegenteil.
Das erste Hörbuch bahnt sich an
Dann erscheint endlich ein wahrer Lichtblick am Ende der Tafelrunde: Kurze Zeit später meldet sich ein kleiner, aber feiner Hörbuchverlag bei mir, der mir zu meinem Erfolg gratuliert und Interesse daran bekundet, „Sweet Suffering“ als Hörbuch zu produzieren und auf den Markt zu bringen. Ich sehe mir die Webseite des Hörbuchverlags an, recherchiere ein bisschen und spreche mit einem erfolgreichen Selfpublisher, der bei dem Verlag schon ein Hörbuch hat produzieren lassen. Alles, was ich erfahre, klingt gut. Also antworte ich dem Verlagsleiter, dass ich mir eine Zusammenarbeit vorstellen kann. Am nächsten Tag telefonieren wir eine Stunde lang, besprechen erste Details und ich beende das Gespräch mit einem guten Gefühl.
In unserem nächsten Telefonat allerdings erfährt der Verlagsleiter, dass ich bereits ein Hörbuch zu einem älteren Werk von mir selbst in Auftrag gegeben habe. Dieses Hörbuch ist so gut wie fertig, sämtliche Mitwirkende wurden von mir eingewiesen und bezahlt; nicht nur die beiden Sprecher, sondern auch der Tontechniker für die Nachbearbeitung, der Komponist für die Intromusik und der Distributor, der das Hörbuch in die gängigen Online-Shops bringen soll. Das Hörbuch kann also bald auf den Markt kommen und würde mein Debüt in diesem Medium darstellen.
Da wird der Leiter des Hörbuchverlags hellhörig und schlägt mir vor, dass er von hier an übernimmt – für das bereits von mir bezahlte, fertige Hörbuch. Ich verstehe nicht genau, was er meint, und merke erneut an, dass für dieses Projekt nichts mehr unternommen werden muss, wir aber gerne die Hörbuchproduktion meines Top-5-Titels in Angriff nehmen können. Das findet der Verlagsleiter aber plötzlich doof, denn viel lieber würde er nun das bereits hergestellte und von mir finanzierte Hörbuch an sich nehmen und am Verkauf beteiligt werden. Als ich meine Bedenken – oder zumindest meine Verwunderung – äußere, teilt er mir mit, dass er an einer Zusammenarbeit mit mir kein Interesse mehr hat. Schade, denke ich mir, und bleibe halb enttäuscht und halb verwirrt zurück. Was wäre wohl aus unserer Zusammenarbeit geworden, wenn er erst später von meinem fertigen Hörbuch erfahren hätte? Das werde ich nie erfahren, und sehr wahrscheinlich ist das auch besser so.
Klein, aber oho?
Aber aller guten Dinge sind drei! Und tatsächlich: Zu guter Letzt schreibt mich ein junger Kleinverlag an und betont, wie gerne er mit mir zusammenarbeiten und ein neues Werk von mir herausbringen würde. Da es bei mir ja so gut läuft, könne er sich auch vorstellen, mir etwas mehr Honorar anzubieten, als es bei einem absoluten Neuling der Fall wäre. Und es scheint sich um keinen Druckkostenzuschussverlag zu handeln … So weit, so gut.
Nur leider mache ich wieder den „Fehler“, konkrete Fragen zu stellen. Zum Beispiel möchte ich vom Verlag wissen, wie oft er abrechnet und Honorare auszahlt. Und ob es bei der Honorargestaltung erfolgsbasierte Staffelungen gibt, wie man das von Publikumsverlagen kennt, also dass die Bezahlung besser wird, wenn sich das Buch besser verkauft. Und ob – schließlich war ich gerade so im Hörbuchfieber – auch eine Hörbuchproduktion drin wäre.
„Solche Kleinigkeiten können wir nach Vertragsabschluss besprechen“, lautet die Antwort.
Kleinigkeiten. Nach Vertragsabschluss. Aha.
Zugegeben: Auf diese Nachricht antworte ich überhaupt nicht mehr. Und es kommt auch keine weitere Nachfrage vom Kleinverlag. Allzu groß ist das Interesse an mir wohl doch nicht.
Sag niemals nie
Nun könnte man meinen, dass ich mich nach diesen Erfahrungen gegen Verlage aussprechen möchte. Aber derart schwarz-weiß ist mein Autorinnenleben nicht. Als ich mich vor meinem Durchbruch noch bei Verlagen beworben habe, da habe ich schließlich nicht nur Absagen bekommen. Zwischendurch wurde mir von bekannten Verlags- oder Medienhäusern auch eine Chance gegeben. Immerhin kleine Projekt von mir wurden finanziert, meine Wünsche und meine Meinung wurden mit einbezogen, angenehme Zusammenarbeiten nahmen ihren Lauf, schöne Werke entstanden. Daran denke ich gerne zurück und das werde ich auch nie vergessen. Deswegen habe ich inzwischen meine Romantasy-Werke, die ich zwischendurch als Abwechslung zu den Erwachsenen-Liebesromanen schreibe, dem Label eines Publikumsverlages anvertraut.
Außerdem ist mein Traum vom eigenen Hörbuch inzwischen wahr geworden. Und wie! Mit über zwanzig Werken stehe ich inzwischen bei drei renommierten Hörbuchverlagen unter Vertrag. Meine Ansprechpartnerinnen dort sind begeisterungsfähige und sympathische Persönlichkeiten, die Produktionskosten werden gestemmt, die Konditionen sind fair, das Marketing läuft schon vor den jeweiligen Veröffentlichungen an und meine Wünsche für die Sprecher:innen finden – Achtung, Wortwitz – Gehör.
Zudem werden ausgewählte Bestseller von mir mittlerweile als Auflagendruck dem gesamten Buchhandel angeboten und ins Spanische sowie Englische übersetzt. Auch das machen inzwischen zwei Verlage möglich, mit denen die Kooperation angenehm ist. Ich selbst wüsste gar nicht, wie ich fremdsprachige Ausgaben angehen sollte.
Verlage können also auch für uns Selfpublisher:innen eine großartige Angelegenheit sein, etwa wenn es um Nebenlizenzen (also Hörbucher, Auflagendrucke, Übersetzungen) geht. Aber auch hier gibt es schwarze Schafe. Nicht jedes Angebot ist automatisch seriös, vor allem, wenn es einem regelrecht hinterhergeworfen wird. Da hilft es, die Eitelkeit beiseitezulegen, durchzuatmen und sich die Bedingungen genau anzusehen. Ich für meinen Teil werde weiterhin von Fall zu Fall entscheiden, ob ich mich auf einen Verlag einlasse oder nicht.
So oder so kann man sich wohl vorstellen, wie froh ich über meine Leser:innen bin, die mir auch ohne Verlag eine Chance gegeben und ermöglicht haben, dass ich heute vom Schreiben leben kann. Und – ganz ehrlich? Dass ich als Selfpublisherin bei so vielen Dingen nun das letzte Wort habe, ist schon ziemlich cool.
Jetzt wisst ihr, wie es sich anfühlt, auf der Bestsellerliste zu stehen. Dass das nicht immer passiert und Bücher auch mal floppen, darüber sprechen wir im nächsten Monat. Jeden 20. des Monats gibt es einen neuen Beitrag der Kolumne im Blog des Selfpublisher-Verbandes.
C.R. Scott – Autorin, Grafikerin und jetzt auch Kolumnistin
C. R. Scott wurde 1984 in Schleswig-Holstein geboren und hat Literatur studiert. Egal ob prickelnd, fantastisch oder verträumt – ihre Liebesromane begeistern Tausende von Lesern. Inzwischen gibt es einige ihrer Bestseller auch als Hörbuch. Die Autorin ist Mitglied im Montségur Autorenforum und in der Jury für den Selfpublishing-Buchpreis. Wenn sie mal nicht schreibt, geht sie am liebsten durch den Wald spazieren und lässt sich für neue Geschichten inspirieren.
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