C.R. Scott ist erfolgreiche Autorin und Mitglied im Selfpublisher-Verband. In ihrer Kolumne „Selfpublishing unverblümt“ schreibt sie über Fettnäpfchen und andere Erfahrungen, die sie lieber nicht gemacht hätte.
Folgenübersicht
- Folge 1: Wenn meine Familie mich im Stich lässt
- Folge 2: Wenn die böse 1-Stern-Rezension kommt
- Folge 3: Wenn Dienstleister mich enttäuschen
- Folge 4: Wenn mein Hund mehr Likes bekommt als ich
- Folge 5: Wenn Lesende über die Stränge schlagen
- Folge 6: Wenn die Buchmesse mich umzubringen versucht
- Folge 7: Wenn Schreibtipps gefährlich werden
- Folge 8: Wenn beim Wort „gratis“ die Nerven blank liegen
- Folge 9: Wenn Verlage etwas vom Kuchen abhaben wollen
- Folge 10: Wenn ein Buch floppt … und das Buch danach auch
- Folge 11: Wenn Kolleg:innen nicht so kollegial sind
- Folge 12: Wenn meine Freund:innen mich nicht ernst nehmen
- Folge 13: Wenn die Muse mich nicht küsst
- Folge 14: Wenn mir die Decke auf den Kopf fällt
- Folge 15: Wenn die Testleserin nicht weiß, was sie will
- Folge 16: Wenn mich ein renommierter Verlag ablehnt
- Folge 17: Wenn meine Vielschreiberei verurteilt wird
- Folge 18: Wenn behauptet wird, dass ich meine Seele verkaufe
- Folge 19: Wenn es heißt, Selfpublisher seien unprofessionell
Folge 16: Wenn mich ein renommierter Verlag ablehnt
„Tut uns leid, Frau Scott, aber wir können Ihren Liebesroman nicht unter Vertrag nehmen. Er ist wirklich schlecht geschrieben, und die Handlung ist einfach nur langweilig. Die Protagonisten verlieben sich zu schnell ineinander, andererseits kommt kein Gefühl rüber. So wird das nichts. Vielleicht finden wir mit einem anderen Projekt zusammen, aber mit dem Manuskript, das Sie eingereicht haben, leider nicht.“ So in der Art schrieb mir sinngemäß im Herbst 2020 eine Verlagslektorin ihr Feedback zu dem Text, den ich ihr geschickt hatte. Das war eine Rückmeldung, an der ich ordentlich zu knabbern hatte.
Wie ist es überhaupt dazu gekommen?
Ich muss ja gestehen, dass ich das absolute Selfpublisher-Klischee erfülle: Im Selfpublishing bin ich deswegen letztlich gelandet, weil mich zuvor alle möglichen Verlage und Literaturagenturen wieder und wieder entschieden abgelehnt haben. Mal geschah dies mit, mal ohne Begründung, mal schneller und mal hat es länger gedauert. Aber am Ende ist es doch stets dazu gekommen, dass ich einem publizierenden oder vermittelnden Unternehmen ein Manuskript samt Exposé vorgestellt habe – und dafür eine klare Abfuhr kassieren durfte.
Als ich ins Selfpublishing wechselte, hoffnungsvoll mein Glück jenseits der Verlagsschienen versuchte und dadurch meinen Durchbruch als hauptberufliche Autorin hatte, gerieten Verlagsbewerbungen für mich in Vergessenheit. Plötzlich war ich nicht mehr auf die Gunst der Verlage und Agenturen angewiesen. Und die erste Zeit lang, auch das gebe ich offen zu, hielt mich allein schon ein kindischer Trotz davon ab, mich noch einmal mit Verlagen zu befassen. Sie hatten meinen Stolz verletzt, also wollte ich mit ihnen nichts mehr zu tun haben.
Aber dann kam jemand auf mich zu. Ein Verlagsmensch. Nicht jemand, der für einen Verlag arbeitet, sondern jemand, der für einen Verlag schreibt. Ein Autor, der mit seiner Zusammenarbeit mit dem Verlag, bei dem er unter Vertrag steht, überaus zufrieden ist. In jeder Hinsicht – kreativ, zwischenmenschlich, finanziell. Und dieser Jemand wurde es nicht müde, mir gegenüber zu erwähnen, wie gut das Verlagsautorendasein für ihn läuft. Er war fest davon überzeugt, dass ich das auch mal versuchen sollte. Also – wieder. Diesmal würde es ganz bestimmt klappen. Immerhin hätte ich mir inzwischen einen Namen gemacht. Außerdem könnte er mir einen direkten Kontakt zur Programmleitung vermitteln. Er würde mich ankündigen und ich müsste mich gar nicht formal bewerben, sondern man könnte direkt zur Sache kommen. Was hätte ich zu verlieren?
Und so ließ ich mich wieder aufs Wagnis „Verlagsbewerbung“ ein
Gesagt, getan. Der Autor hielt Wort und stellte bald darauf einen Draht zwischen dem Programmleiter bei seinem Verlag und mir her. Dementsprechend musste ich mich allerdings ranhalten, um zeitnah nach dem ersten Wortwechsel eine vielversprechende Idee für einen Liebesroman parat zu haben, die ich vorstellen konnte. Aber ich plante ein wenig um und schaffte es: Innerhalb kurzer Zeit standen das Exposé und die Leseprobe, die die ersten 60 Normseiten enthielt. Dem Programmleiter gefiel die Grundidee des Projekts, und so vermittelte er mich an die leitende Lektorin für die Sparte der Liebesromane im Haus. Eine Stunde lang telefonierte ich mit der Frau. Sie wirkte ebenfalls angetan von der Romanidee, und wir sprachen auch allgemein angeregt über Literatur. Zwar könne sie mir noch keine verbindliche Zusage geben, da sie dafür gerne zunächst ungefähr 70 Prozent des Manuskriptes lesen wollen würde. Außerdem würde sie sich wünschen, dass ich meine Marke als C. R. Scott einmal überdenke. Am liebsten wäre es ihr, wenn ich dann exklusiv für den Verlag schreiben würde. Ohnehin veröffentliche ich ihrer Ansicht nach viel zu häufig. Die Titel kannibalisieren sich gegenseitig, da ist sie sich sicher. Zudem wäre es wichtig, dass im ersten Roman schon mal Nebenfiguren auftauchen, die dann in künftigen Geschichten zu den neuen Protagonisten werden. Aber ich sei auf einem guten Weg und sie würde sich auf die nächste Leseprobe freuen.
Hm. Okay.
Zwar fand ich die Vorstellung, nur noch für diesen einen Verlag zu schreiben, alles andere als prickelnd. Auch fühlte es sich nicht unbedingt toll an, sich vorschreiben zu lassen, welche Nebenfiguren definitiv vorkommen müssen. Und dass sich meine Liebesromane gegenseitig schaden, kann ich anhand meiner Verkaufszahlen nicht feststellen – im Gegenteil. Kennt die Lektorin sich damit überhaupt aus? Damit, dass … wie sagt man … verschiedene Wege nach Rom führen können?
Aber na ja. Es ist ein bekannter Publikumsverlag. Die Menschen, die dort arbeiten, werden schon wissen, was sie tun. Und über die genauen Konditionen kann man später immer noch verhandeln.
Ich war angefixt
Also erklärte ich mich dazu bereit, weitere Zeit und Energie ins Projekt zu stecken. In den kommenden Wochen schrieb ich weiter, bis sogar rund 80 Prozent des Manuskriptes fertig waren. Ich recherchierte intensiver als sonst und überarbeitete das Exposé immer mal wieder. Irgendwie hat mich der alte Ehrgeiz von damals neu gepackt und ich wollte diesem Verlag gefallen. Ich war angefixt, könnte man sagen. Und gab alles.
Dementsprechend aufgeregt war ich, als es dann so weit war und ich der Lektorin den neuen Stand schicken konnte. Nun würde es sich entscheiden und ich sollte bald erfahren, ob die Geschichte unter Vertrag kommen würde oder nicht. Natürlich hoffte ich, dass es klappen würde. Andernfalls hätte ich wohl kaum so viel investiert, schon gar nicht dermaßen kurzfristig.
Dann kam die niederschmetternde Absage
Als die Lektorin mir Rückmeldung gab, fielen ihre Worte sehr deutlich aus. „Schlecht geschrieben“ und „langweilig“ – wer hat es schon gern, wenn sein Manuskript von einer Expertin auf diese Weise beschrieben wird? Ich jedenfalls nicht. Im Gegenteil: Die Absage traf mich hart. Zwar ließ sie mich nicht an mir als Autorin zweifeln, sehr wohl aber am Projekt. Alles, was diese Geschichte ausmacht, habe ich für den Verlag konzipiert. So viel Herzblut ist in die Zeilen geflossen. Was sollte ich damit nun anstellen? Wenn es wirklich so schlecht ist, wie die erfahrene Verlagslektorin sagt, kann ich es doch auch unmöglich im Selfpublishing herausbringen!
Oder … etwa doch?
Mehrere Tage lang tigerte ich durch die – damals noch – Mietwohnung und grübelte darüber nach. Ich fragte mich, ob ich etwas am Text ändern sollte. Und wenn ja, was. Ging es um kleine Details? Oder um das große Ganze? War das Projekt überhaupt zu retten? Oder musste ich der Wahrheit ins Auge sehen und erkennen, dass ich es besser komplett in die Tonne treten sollte, da es andernfalls meine Stammleser:innen unwiderruflich vergraulen könnte?
Nach rund einer Woche wusste ich es dann auf einmal. Ich hatte ein paar Nächte darüber geschlafen und beschloss, auf mein Bauchgefühl zu hören. Und dieses sagte mir: „Die Geschichte ist richtig gut so, wie sie ist. Du hast sie vielleicht für diesen einen Verlag konzipiert, aber letztlich haben da dein Herz und dein Stil aus dir gesprochen. Und wenn der Verlag die Geschichte nicht haben will, dann mach sie deinen Lesern eben wieder selbst zugänglich. So wie sonst auch immer. Trau dich. Das ist der richtige Weg.“
Ich fackelte nicht lange und veröffentlichte auch diesen Roman selbst
Noch knapp im Jahr 2020, nämlich am 29. Dezember, kam die Liebesgeschichte verlagsunabhängig bei Amazon raus. Spätestens wenn ich dieses Veröffentlichungsdatum nenne, löse ich damit auf, um welchen Titel es geht: Ich spreche von „Loving Mr. Cold“, der Geschichte, die auf der Isle of Man spielt. Sie erzählt von der Londonerin Chloe, die auf der kleinen Insel, die sie nicht kennt, eine Pension von jemandem erbt, den sie ebenfalls nie kennengelernt hat. Davon, wie sie dem attraktiven, aber auch kühlen Aidan begegnet. Welches Geheimnis er hat. Und welches Geheimnis sie überhaupt auf die beschauliche Insel brachte.
Kein Geheimnis ist inzwischen, dass „Loving Mr. Cold“ zum Erfolg wurde: Der Roman kam schnell in die Top 5 der Kindle-Charts und schaffte auch den Sprung auf die BILD-Bestsellerliste. Mehr als 1.700-mal wurde er allein in den ersten zwölf Monaten auf Amazon bewertet. Es dauerte nicht lange, bis sich ein Verlag bei mir meldete, um sich die Hörbuchrechte zu sichern. Ein anderer Verlag sprach mich an, weil er die Taschenbuchrechte für einen Auflagendruck haben wollte. Selbiger Verlag hat inzwischen auch die Rechte für eine spanische Übersetzung bekommen, die nun ebenfalls auf dem Markt ist.
Verlagsmenschen sind eben auch nur Menschen
Daran zeigen sich zwei Dinge:
Erstens kann auch die Lektorin eines noch so renommierten Verlages sich irren, denn auch sie ist – Überraschung – nur ein Mensch. Als besagte Lektorin zu mir meinte, dass „Loving Mr. Cold“ schlecht geschrieben und langweilig sei, hat sie sich so gesehen einfach geirrt. Zumindest wenn man den Meinungen Tausender und Zehntausender anderer glaubt. Was von Verlagen abgelehnt wird, kann im Selfpublishing super laufen. Oder bei einem anderen Verlag. Jedenfalls gibt es deswegen noch lange keinen Grund, aufzugeben.
Zweitens habe ich trotzdem noch Verlage gefunden, die prima mit mir zusammenarbeiten – auch konkret für dieses eine Projekt, wofür sie sogar extra auf mich zugegangen sind, anstatt dass ich aktiv werden musste. Deswegen bleibe ich bei der Aussage, die ich schon mal in der 9. Folge getätigt habe: Ich denke nicht im Traum daran, mich pauschal von sämtlichen Verlagen abzuwenden. Manche von ihnen scheinen sich zwar regelrecht darum zu bemühen, dass ich an diesen Punkt komme. Aber es gibt da draußen auch Verlage, die gut zu meinem Stil als Autorin passen. Diese muss man nur erst finden. Aber das Warten und Versuchen lohnen sich allemal. Und für alles andere habe ich mein geliebtes Selfpublishing.
Nur eins kommt nicht für mich infrage: mit dem Schreiben aufhören, nur weil jemand mal sagt, ich sei nicht gut darin.
In der nächsten Kolumne erzählt uns C.R. Scott davon, wie sie manchmal dafür verurteilt, dass sie viel schreibt und veröffentlicht. Jeden 20. des Monats gibt es einen neuen Beitrag der Kolumne im Blog des Selfpublisher-Verbandes.
C.R. Scott – Autorin, Grafikerin und jetzt auch Kolumnistin
C. R. Scott wurde 1984 in Schleswig-Holstein geboren und hat Literatur studiert. Egal ob prickelnd, fantastisch oder verträumt – ihre Liebesromane begeistern Tausende von Lesern. Inzwischen gibt es einige ihrer Bestseller auch als Hörbuch. Die Autorin ist Mitglied im Montségur Autorenforum und in der Jury für den Selfpublishing-Buchpreis. Wenn sie mal nicht schreibt, geht sie am liebsten durch den Wald spazieren und lässt sich für neue Geschichten inspirieren.
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