Vita:

Hallo!

Ich bin Toki Nirik, 1977 geboren und lebe in NRW, Deutschland.
Ich identifiziere mich als nicht-binär und bin Autist:in mit einem Anteil ADHS.

Seit 2013 bin ich glücklich verheiratet, habe keine (lebenden) Kinder und wohne mit meinem Ehemann zusammen in einer Mietwohnung.
Ich habe keinen Beruf mehr, da ich – relativ kurz nach meiner Ausbildung im medizinischen Bereich – leider wegen meiner Erkrankungen berentet werden musste.

Das sind ein paar Dinge, die Außenstehende üblicherweise interessieren und die gesellschaftlich den Wert einer Person bemessen.
Menschen glauben nach diesen Angaben, mich einschätzen und bewerten zu können – und das fällt bereits nach diesen Angaben häufig nicht schmeichelhaft für mich aus.
Ich möchte mich hier aber wirklich zeigen. So ganz ohne eine hochgezogene Fassade.

Doch dann muss ich ein bisschen ausholen.

Denn wenn ich von mir spreche, muss ich auch über all jene sprechen, die sich ebenfalls hinter dem Namen Toki Nirik verbergen.

Wir sind Viele, aber wir stecken alle in demselben Körper. Die Ursache dafür liegt darin, dass wir von Geburt an organisierte, sexualisierte und systematisch angewendete sadistische Gewalt erleben und überleben mussten, die mit spirituellen und ideologischen Glaubenskonstrukten gerechtfertigt wurde (kurz: ritueller Gewalt).

In der Welt der Psychiatrie und Psychotherapie nennt sich die Aufteilung auf viele Persönlichkeitsanteile „Dissoziative Identitätsstörung”(kurz: DIS).

Weitaus mehr Probleme als die DIS an sich verursacht aber die Posttraumatische Belastungsstörung, die es gratis zu jedem Trauma dazu gibt.

Viele von uns Nirik wurden absichtlich durch die Täter „gemacht“, indem diese so viel Gewalt anwendeten, wie es brauchte, um uns zu spalten. Zwischen uns liegen Welten und dissoziative Amnesien, die auch heute noch unseren Alltag bestimmen. Das bedeutet, dass man in der Zeit “springt”. Dass man sich manchmal irgendwo wiederfindet und sich an den Weg (oder auch nur den Plan loszugehen) nicht erinnert oder daran, was man gerade noch getan, gegessen oder gesagt hat. Selbst wichtige biografische Fakten sind nicht konstant erinnerbar.
Wann wurde ich geboren? Wo ging ich zur Schule? Welcher Tag ist heute? Welches Jahr? Wie alt bin ich? Wie heiße ich? Habe ich Geschwister? Was? Ich bin verheiratet?

Das kommt dadurch zustande, dass unterschiedliche Identitäten jeweils unabhängig voneinander die Kontrolle über dieses Schiff namens Körper übernehmen und es steuern. Wir alle erinnern jeweils nur Teile unseres gemeinsamen Lebens und für unsere Autobiografie „Wir sind eine Dunkelziffer” haben wir so viel Wissen zusammen auf die Blätter geworfen, wie aktuell nur möglich.

Weißt du, es ist so:

In unserem Leben ist man als einzelne Identität mal der Kapitän, mal der blinde Passagier unter Deck, der nichts von der Reise mitbekommt, mal der im Ausguck – hoch oben am Mast, der aber nicht bestimmen kann.
Daraus ergeben sich manchmal Probleme, weil wir auf Basis unserer traumatischen Erlebnisse sehr unterschiedliche Vorstellungen entwickelt haben, wohin wir eigentlich segeln wollen und warum.
Von Bord gehen kann niemand von uns, wir gehören zusammen, ob wir wollen oder nicht.
Und jetzt sind ein paar von uns Autor:innen geworden, als wir beschlossen, einen Teil unserer schweren und traumatischen Lebensgeschichte aufzuschreiben, damit die Leute da draußen erfahren können, was Menschen anderen Menschen – und Kindern – antun.
Die gute Nachricht ist: unsere Täter:innen haben uns nicht vollständig gebrochen. Unser Gerechtigkeitssinn ist stark und ausgeprägt. Und deswegen brechen wir jetzt Tabus.
Einige von uns kämpfen gemeinsam gegen das Stigma und die Mythen, die die DIS mitsamt der Ursachen dafür umgeben.

Außerdem arbeiten wir als Autor:innen und Künstler:innen gegen Verschwörungstheorien an, die in den Medien unter dem Kampfbegriff „False Memories“ zu Deutsch: Falsche Erinnerungen geführt werden. Diese kommt immer dann zum Zuge, wenn es um Erinnerungen an sexualisierte Gewalt geht.

Denn wir möchten einen Teil dazu beitragen, dass sich gesellschaftlich, politisch und auch in der Gesundheitsfürsorge etwas am Umgang mit psychisch kranken und traumatisierten Menschen ändert.

Wir freuen uns, dass du uns gefunden hast und an unserem Leben interessiert bist und schwierige Themen nicht aus deinem Bewusstsein drängst.
Wir freuen uns über jede Unterstützung, über jeden, der bereit ist, hinzusehen.

Bücher von Toki Nirik