Anmerkung: Dies ist ein Gastartikel unseres Verbandsmitglieds Rosemarie Schmitt und der dritte Teil der Beitragsreihe zum Thema Lesungen. Den ersten Teil der Reihe findest du hier. Den zweiten Teil „Wo kann man Lesungen halten?“ kannst du unter diesem Link nachlesen.
Honorar für Lesungen?
Du lebst nicht vom Schreiben,…
sondern vom Verkauf deiner Bücher. Doch nur vom Verkauf? Eine besondere Bedeutung im Einkommen bei Selfpublisher*innen haben Lesungshonorare. Für hauptberufliche Autor*innen bedeutet dieser Einkommensfaktor zudem eine Grundlage zum Verbleib in der Künstlersozialkasse. Dass Autor*innen ein Honorar gezahlt wird, ist jedoch nicht selbstverständlich. Ein umstrittenes Thema, selbst unter den Schreibenden. Uneinigkeit herrscht bereits bei der grundsätzlichen Frage:
Muss überhaupt ein Lesungshonorar gezahlt werden?
Die Antwort lautet ganz klar: NEIN. Es steht nirgendwo geschrieben, dass ein Lesungshonorar gezahlt werden muss. Empfohlen wird es ausdrücklich! Der Bundesvorstand des Verbands deutscher Schriftsteller*innen unterstützte die Forderung des VS NRW, das Basishonorar für Autor*innenlesungen von 300 auf 500 Euro anzuheben. Im Februar 2023 stimmten die Delegierten auf der Bundesfachgruppenkonferenz dem Antrag des Landesverbandes zu.
Tatsache ist, dass seit der Corona-Krise die Lesungshonorare sinken und angemessene Vergütungen von Lesungen immer seltener werden. Die Veranstalter rechtfertigen dies mit Argumenten, wie etwa dass kein Etat vorhanden ist, oder dass es ja schließlich Werbung für die Autor*innen sei.
Angesichts der 500 Euro zucken bereits die meisten von Euch zusammen. Doch stolperst du nicht bereits über die Frage, ob du überhaupt Honorar verlangen sollt?
Willst du ohne Honorar lesen?
Auf diese scheinbar simple Frage in einem der Social-Media-Kanäle folgten zahlreiche Kommentare. Es zeigt, wie sehr dieses Thema Autor*innen beschäftigt.
Weshalb sind Autor*innen bereit, ohne eine angemessene Vergütung zu lesen?
Weil der Veranstalter dir schließlich die Möglichkeit bietet, für deine Bücher zu werben und sie zu verkaufen?
Lass dich nicht mit dem Argument abspeisen, dass eine Lesung ja immerhin eine super kostenlose Werbung für dich ist! Eine Lesung ist eine Lesung und keine Werbeveranstaltung. Du verkaufst keine Heizdecken, kein mikrowellengeeignetes Geschirr und kein Sauerbier. Du verkaufst deine Bücher!
Ein Kommentar zu der Frage: Willst du ohne Honorar lesen?
… Wenn ich 300 oder 400 Euro Honorar kassiere, dann müsste ich im Gegenzug dafür zwischen 30 und 50 Bücher verkaufen. Die sind gar nicht so einfach loszuwerden in zwei Stunden. Und du musst jemanden bezahlen, der in dieser Zeit am Büchertisch steht…
So einfach und zutreffend ist die Rechnung!
Eine gute Lesung zu präsentieren ist eine Leistung. Es ist durchaus üblich, Leistungen angemessen zu bezahlen. Würde es dir in den Sinn kommen, deiner Friseurin oder deinem Friseur die Bezahlung zu verweigern, weil du ja schließlich durch die Stadt läufst und damit ja Werbung für den Salon machst?
Du hast eine Menge Zeit, Arbeit und auch Kosten investiert. Dessen sei dir stets bewusst!
Kein Honorar, weil du dir in der Branche noch keinen Namen gemacht hast?
Okay, lass mich bei dem Friseur-Beispiel bleiben. Hast du je gefragt, wie viel Erfahrung deine Friseurin/dein Friseur schon hat? Wie viele Haarschnitte sie oder er nachweisen kann?
Selbstverständlich hast du das nie gefragt. Es wäre schließlich ziemlich unverschämt. Nicht wahr?
Außerdem würdest du für den Haarschnitt bezahlen müssen, unabhängig von der Antwort (die du ja nicht wirklich stellst).
Kein Honorar, weil der Veranstalter kein Geld hat?
Mach das nicht zu deinem Problem. Wenn ein Veranstalter sagt, dass für ein Honorar keine Mittel zur Verfügung stehen, dann ist das ein Problem des Veranstalters. Er hat die Möglichkeit, Eintrittsgeld zu verlangen, Sponsoren zu generieren… Die Möglichkeiten sind vielfältig und abhängig davon, ob es sich um eine Buchhandlung, eine städtische Bücherei, ein Gastronomiegewerbe, ein Weingut etc. handelt.
Kein Honorar, weil die Kosten für den Veranstalter zu hoch sind?
Je nach Konzept deiner Lesung können, neben deinem Honorar folgende Kosten anfallen:
– Raummiete
– GEMA-Gebühren
– Reisekosten
– Übernachtungskosten
– Werbekosten (Plakate/Flyer/Presse)
– Technik (Beleuchtung/Akustik)
Prüfe, ob du dazu beitragen kannst, diese Kosten zu senken. Zum Beispiel, indem du bei Freunden übernachtest statt im Hotel oder selbst über das technische Equipment verfügst, das du mitbringen könntest.
Diese einzelnen Posten sind verhandlungsfähig. Dein Honorar nicht!
Kein Honorar, weil du einen kostenlosen Messestand bekommst?
Dieses Angebot kannst du auch ablehnen. Stattdessen hast du selbstverständlich die Möglichkeit, Standmiete zu zahlen. Meist wird das nur anteilmäßig der Fall sein, da der Messestand dir wahrscheinlich nicht alleine zur Verfügung steht.
Ich nehme lieber das Honorar und bezahle davon die Standgebühr.
Kein Honorar, weil die Leute generell nicht gerne für etwas zahlen?
Laut der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse (AWA) waren im Jahr 2023 dies die beliebtesten Hobbys:
1. Gärtnern
2. Shopping
3. Fotografie
4. Fitness im Studio
Für diese Hobbys wurde in Deutschland also das meiste Geld ausgegeben.
Statista.com ermittelte, wofür Jugendliche am häufigsten Geld ausgeben:
1. Ausgehen, Nachtleben
2. Kleidung
3. Essen & Trinken
4. Schuhe
5. Kino
6. Geschenke
7. Kosmetik
Du siehst, dass Leute durchaus bereit sind, für Leistungen und Dinge, die gefallen, Spaß machen und guttun, zu bezahlen.
Was nichts kostet, ist nichts wert. Es scheint doch etwas dran zu sein, an dem schon so oft bemühten Zitat.
Ich habe mit einigen Autor*innen gesprochen, die meine Erfahrungen bestätigten: Meine Lesungen sind in der Regel sehr gut besucht, seit Eintritt verlangt wird!
Kein Honorar, weil du Angst hast, diesen Auftrag nicht zu bekommen und auch keine anderen?
Wenn die Konditionen nicht passen, wenn keine Einigung zustande kommt, nicht beide Parteien die gewünschten Vorteile haben, dann kommt der Deal nicht zustande. DIESER Deal kommt nicht zustande! So einfach ist das. Und das bezieht sich nur auf diesen einen Auftrag, auf diese eine Lesung.
Auch wenn eine Lesung nicht zustande kommt: das ist kein Beinbruch! Jede deiner Verhandlungen ist ein Gewinn. Ein Gewinn an Erfahrung und eine Möglichkeit, dein Konzept zu überdenken, deine Gesprächstaktik zu ändern, deine Vorstellungen zu korrigieren.
Ohne Autor*innen – keine Lesungen!
Fakt ist, dass in keinem anderen Land der Welt Autoren-Lesungen beim Publikum so beliebt sind, wie in Deutschland. Viele profitieren von dieser einzigartigen Lese-Kultur. Weshalb gehen Autor*innen, die solche Veranstaltungen überhaupt erst möglich machen, oft leer aus?
Fazit
Solltest du der Meinung sein, dir stehe kein Honorar zu, du seist nicht gut genug, es sei nicht angebracht, das Publikum für eine Lesung von dir bezahlen zu lassen, dann stimmt vielleicht etwas mit deinem Text nicht. Oder mit der Art deiner Lesung? Denke über dein Konzept nach. Wie steht es mit deiner Aussprache? Wie um deine Bühnenpräsenz? Weshalb sollte man gerade DICH buchen? Bist du unsicher? Arbeite daran, und zwar so lange, bis du ganz sicher hinter deinem Projekt stehst! Nur so hast du Argumente, die den Veranstalter davon überzeugen können, dir selbstverständlich ein Honorar zu zahlen.
Du musst nicht auf Knien danken, wenn du für eine Lesung gebucht wirst! Ein Veranstalter sollte dankbar sein, dass es noch Autor*innen gibt, die diese Lesekultur am Leben halten!
Rosemarie
Rosemarie Schmitt
Rosemarie Schmitt wuchs in der Kyltalgemeinde Kordel auf. Nach ihrer Ausbildung zur Musikalienhändlerin lebte sie einige Jahre in Luxembourg. Inzwischen ist die Schriftstellerin in Wittlich beheimatet und hat drei erwachsene Kinder. Sie ist Mitglied im Selfpublisher-Verband, dem Literaturwerk Rheinland-Pfalz und war freie Mitarbeiterin des Ressorts Kultur bei der Trierer Lokalzeitung „Trierischer Volksfreund“. Zehn Jahre lang schrieb sie eine wöchentliche Kolumne für kultur-online.net. Seit Beginn des Jahres 2023 ist Rosemarie Schmitt als Dozentin bei der VHS Wittlich-Stadt und Land tätig. Ihr Thema: Wie geht Lesung?
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